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Wie der Vater so der Sohn

Prolog

Kennst Du die Vater und Sohn-Geschichten von e.o. plauen? Das sind zu Herzen gehende frühe Comics über eine innige Vater-Sohn-Beziehung.

 

In dem heutigen Predigttext wird uns ebenfalls eine ganz innige Beziehung von Sohn und Vater geschildert.

 

Nur im Johannes-Evangelium finden wir - im Kapitel 17 - das sogenannte Hohepriesterliche Gebet. Das ist ein Text, bei dem man nicht sagen kann: Kenne ich. Habe ich schon 43 mal gehört. Darüber wird selten gepredigt, wie überhaupt aus dem Johannes-Evangelium selten gepredigt wird.

 

Warum? Manche Leute meinen, Johannes sei schwer zu verstehen. Ich liebe allerdings das Johannes-Evangelium gerade wegen seiner manchmal schwer verständlichen, etwas mystischen Sprache. Ich finde die Sprache genial, sie transportiert das gewisse Geheimnis zwischen Gott und Mensch und das trifft auch auf unseren Text zu.

 

Die Sprache deutet das Geheimnis zwischen Vater und Sohn an, auch wenn Johannes als einziger der Evangelisten dieses Gebet von Jesus in Worte fasst.

 

Und aus dem Text schimmert das Geheimnis Jesu durch: Von dieser Welt und doch nicht.

 

In unserer Welt, die alles so genau wissen will, die das Geheimnis immer mehr verkleinern möchte (weil es bedrohlich erscheint?), wird dadurch immer alles komplizierter.

 

Meiner Gehaltsabrechnung lag im letzten Monat eine Mitarbeiterinformation zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung (was für ein Wort!) bei. 8 Seiten lang! Auch wenn ich es gelernt habe, solche Texte zu verstehen– viele können das nicht – ehrlich gesagt, da lese ich doch lieber im Johannes-Evangelium!

 

Johannes wird manchmal als Autor angezweifelt. Doch einiges spricht für mich dafür, dass tatsächlich der Jünger Johannes dieses Evangelium geschrieben hat, das sich so sehr von den drei Synoptikern Matthäus, Lukas und Markus unterscheidet.

 

Warum: Als Johannes als alter Mann diese Worte aufschrieb, gab es die drei anderen Evangelien schon, die Zusammenstellungen der Ereignisse zwischen der Geburt Jesu bis kurz vor seiner Himmelfahrt. Johannes konnte sich daher auf die Ereignisse beschränken, die ihm als Augenzeuge im Alter immer wichtiger wurden. So auch das Hohepriesterliche Gebet, eine Szene, die irgendwo zwischen letztem Abendmahl und Verhaftung Jesu spielt.

 

Johannes, der tatsächlich vom Fischer zum Menschenfischer wurde, war der Überlieferung nach sehr alt geworden. Nennt er sich deshalb aus Dankbarkeit gegenüber Jesus in seinem Evangelium der Jünger, den Jesus besonders liebte? Er hatte Jahrzehnte lang in Kleinasien gewirkt, war deshalb zeitweise auf die Insel Patmos verbannt gewesen und schrieb nun – und er wurde wohl nicht mehr ganz fertig – dieses Evangelium. In einer Sprache, die er bei seinen Evangelisationen eingeübt hatte und die an die Sprache von Jesus erinnert. Ist nicht auch Jesu Reden manchmal ganz geheimnisvoll?

 

Das Hohepriesterliche Gebet

Doch genug jetzt der Vorrede.

 

Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen. (Joh.17,1)

 

Kennt Ihr das? Manchmal gibt es Jahre lang Routine, immer das Gleiche. Auch bei Jesus, seien wir mal ehrlich, hatte sich die Routine eingeschlichen. Jahre lang in Galilea herumziehen, predigen, heilen, Wunder tun – naja, das waren vielleicht auch mal Höhepunkte.

 

Aber nun überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Jesus zieht auf einem Esel in Jerusalem ein und wird frenetisch empfangen. Er feiert mit seinen Jüngern ein gemeinsames Abendmahl. Das letzte, wie sich bald herausstellt. Er wird im Garten Gethsemane verraten und verhaftet. Er wird am Kreuz grausam zu Tode gefoltert, ins Grab gelegt. Aus dem er wieder aufersteht. Das alles passiert innerhalb weniger Tage.

 

Und mittendrin dieses Gebet.

 

Die Stunde ist gekommen! Es ist die Stunde zwischen Hosianna-Geschrei und Kreuzige ihn!. Jesus ist sich bewusst, dass jetzt das Finale kommt. Wir werden, erstens, Zeuge eines ganz intimen Gespräches zwischen Jesus und seinem Vater. Erfahren, zweitens, was ihn gerade jetzt besonders bewegt.

I

Die Stunde ist gekommen! Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche; so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben. (Joh.17,1-2)

 

Jesus bittet zunächst für sich selbst - darum, dass sein Vater ihn verherrlich, er aber auch den Vater verherrlichen wird. Verherrlichung – mit diesem Begriff können wir nichts anfangen. Ich will euch das mal so erklären: Für uns Christen ist das herrlichste Ereignis der Tod und die Auferstehung Jesu. Jesus bittet also darum, dass Gott, sein Vater, ihn diese Verherrlichung durchstehen lässt. Er seinem Vater gehorsam ist und in den stellvertretenden Opfertod für die Sünden der Menschen geht, so wie Gott das vorgesehen hat.

 

Daher auch der Name „Hohepriesterliches Gebet“. Der Hohepriester durfte einmal im Jahr am Versöhnungsfest in das Allerheiligste des Tempels treten, um Gott ein besonderes Opfer zu bringen. Ein stellvertretendes, sühnendes Opfer für die Sünden, die das Volk begangen hatte. Gott selbst hatte dieses Ritual zusammen mit dem Gesetz eingesetzt. Jesus bringt wie ein Hohepriester stellvertretend Gott das Opfer dar, allerdings sich selbst.

 

Und damit, mit seinem Gehorsam und seiner Treue, verherrlicht er auch den Vater.

 

Dieser Gedanke mag uns heute etwas fremd sein, weil wir von unseren Kindern nicht mehr unbedingten Gehorsam und schon gar nicht die Erfüllung unserer Pläne erwarten.

 

Aber Jesus, der Sohn, ist ganz der Vater.

 

Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. (Joh.17,4)

Jetzt spricht Jesus plötzlich in der Gegenwart. Er zeigt, dass er alles das erfüllt hat, was der Vater von ihm wollte. Er ist sich sicher, dass er es zum Ende bringen wird mit seinem Tod. Und genauso zeigt es sein Vertrauen, dass der Vater ihn auferstehen lassen wird, weil er ihm das ewige Leben versprochen hat.

II

Zunächst hat Jesus für sich gebetet. Aber nun geht es weiter:

Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir und du hast sie mir gegeben, und sie haben an deinem Wort festgehalten. (Joh.17,6)

Jesus betet nun, zweitens, für den innersten Kreis seiner Jünger. Er ist dankbar, dass der Vater sie ihm gegeben hat, dass er ihnen dessen Namen offenbaren konnte und sie an seinem Wort festhalten. Er hat versucht, ihnen Gottes Heilsplan nahezubringen.

 

Ganz verstanden haben sie ihn wohl nicht, das wird sich einige Stunden später zeigen, als Jesus alleine vor dem Richter steht und dann einsam am Kreuz hängt. Zugegeben, es ist ja auch ein kleines Häufchen, das sich in dieser Stunde um Jesus schart. Jahre lange Arbeit – und jetzt sind nur noch 11 Jünger bei ihm. Erschöpft, fix und fertig von dem Marsch nach Jerusalem und den aufregenden Ereignissen sind sie. Jesus muss sie mehrmals auffordern: Wachet und betet!, wie die anderen Evangelien berichten. Ihnen ist der Schlaf jetzt wichtiger als die entscheidenden Stunden in Gottes Heilsplan.

 

Jesus, Mensch und Gott zugleich, erlebt, was wir auch kennen. Er kennt das Menschliche, er kennt aber auch das Göttliche, seinen Vater. Das ist das Geheimnis, von dem ich vorhin sprach, das wir wohl nie ganz verstehen können.

 

Da Jesus dieses Menschliche kennt, betet er jetzt ganz intensiv zu seinem Vater. Bittet für seine Freunde und Jünger:

Für sie bete ich. Ich bete nicht für die Welt, sondern für die Menschen, die du mir gegeben hast; denn sie gehören dir. Alles was mir gehört, gehört auch dir, und dein Eigentum ist auch mein Eigentum. Durch sie wird meine Herrlichkeit sichtbar. Ich bin jetzt auf dem Weg zu dir. Ich bleibe nicht länger in der Welt, aber sie bleiben in der Welt. Heiliger Vater, bewahre sie in deiner göttlichen Gegenwart, die ich ihnen vermitteln durfte, damit sie eins sind, so wie du und ich eins sind. Solange ich bei ihnen war, habe ich sie in deiner göttlichen Gegenwart beschützt und bewahrt. Keiner von ihnen ist verloren gegangen, nur der eine, der verloren gehen musste, damit die Voraussage der Heiligen Schriften in Erfüllung ging. Und jetzt bin ich auf dem Weg zu dir. Ich sage dies alles, solange ich noch bei ihnen in der Welt bin, damit meine Freude ihnen in ganzer Fülle zuteil wird. Ich habe ihnen dein Wort weitergesagt. Deshalb hasst sie die Welt, denn sie gehören nicht zu ihr, ebenso wie ich nicht zu ihr gehöre. Ich bitte dich nicht, sie aus der Welt wegzunehmen, aber sie vor dem Bösen in Schutz zu nehmen. (Joh.17,9-11)

 

Jesus hebt hervor, dass die Jünger zu ihm und zu Gott gehören. So wie er sich eins mit ihnen macht, bittet er auch darum, dass sie eins sind und bleiben. Eins bleiben in ihrem gemeinsamen Glauben, in ihrer gemeinsamen Liebe zu Gott und zueinander sowie in ihrem Auftrag. Er bittet um Bewahrung vor dem Bösen, dem Gegenspieler, der verhindern möchte, dass sie ans Ziel kommen.

 

Noch mal: diese Fürbitte ist gebetet in dieser konkreten Stunde, kurz bevor sich Gottes Heilsplan in Jesus erfüllt.

 

Jesus hat die, die mit ihm unterwegs sind, ganz fest im Blick. Das empfinde ich als eine Anfrage an mich. An uns alle:

 

Beten wir so konkret für die, die mit uns auf dem Weg sind in der Gemeinde?

 

Beten wir so konkret für unsere Geschwister in den Gruppen der Gemeinde, dem Seniorenkreis, dem Chor, der Gemeindeleitung, dem Mitarbeiterkreis?

 

Haben wir so konkret den gemeinsamen Glauben, die gemeinsame Liebe zu Gott und zueinander sowie unseren gemeinsamen Auftrag im Blick?

 

Liegen uns die Geschwister so konkret  am Herzen, wie Jesus und seinem Vater die Jünger?

 

III

Fürbitte füreinander, ja, in der einen oder anderen Form wird das in unserer Gemeinde praktiziert.

 

Doch jetzt kommts, Jesus setzt noch einen drauf:

Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern für alle, die durch ihr Wort an mich glauben werden. (Joh.17,20)

 

Erstaunlich, Jesu Blick weitet sich. Er blickt über seine Freunde, seine Jünger hinaus. Er schließt in diese Fürbitte selbst diejenigen ein, die einmal an ihn glauben werden durch das Werk der Apostel.

 

Erstaunlich deshalb, weil uns die anderen Evangelien berichten, dass Jesus in seinem letzten Gebet in Gethsemane ganz menschlich Angst bekommt. Angst, die ihm Schweiß und Blut auf die Stirn treiben. Angst bedeutet Enge, Angst macht den Blick eng.

 

Doch Jesus muss ein so weites Herz haben, dass es auch jetzt noch seinen Blick weitet. Ganz weit. Weit in die Zukunft, bis ans Ende der Tage.

 

So wie es die Offenbarung beschreibt:

Danach sah ich […] eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren Händen und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und bei dem Lamm! (Offenbarung 7,9f.)

 

Jesus, der Sohn, ganz der Vater! Er sieht auf das Ziel, das sich zum Ende der Zeiten erfüllen soll und wird.

 

Jesus nimmt alle mit seiner Fürbitte in den Blick, daher gilt seine Fürbitte auch uns und allen anderen, die jemals an ihn geglaubt haben und an ihn glauben werden.

 

Jesus möchte, dass alle in der Ewigkeit bei ihm und dem Vater sind.

 

Wie sieht das mit unserer Fürbitte für die Menschen aus, die noch nicht an Jesus glauben, aber vielleicht einmal an ihn glauben werden? (Vielleicht sogar durch uns?) Beten wir für diese Menschen?

 

Beten wir für den nervigen Arbeitskollegen, den Nachbarn, den Freund, die Kassiererin an der Supermarktkasse?

 

Epilog

Zusammengefasst:

 

Das Hohepriesterliche Gebet ist die Fürbitte Jesu

1. für sich als Hohepriester, dass er seinen Auftrag durchsteht, um die Menschen zu retten,

2. dann für die Apostel, also diejenigen, die Jesus bereits folgten und schließlich

3. für alle, die einmal an Jesus glauben werden.

 

Mit seinen Herzensanliegen wendet sich Jesus in dieser Stunde, der Stunde vor der Verhaftung, ganz vertraut und vertrauensvoll an seinen Vater.

 

Unsere Geschichte ist mehr als eine rührende Vater und Sohn-Geschichte.

 

Jesus sagt später in Gethsemane zu seinem Vater:

Dein Wille geschehe!

 

Vorher betet Jesus in seiner Angst, seiner Verzweiflung:

Lass den Kelch an mir vorübergehen!

 

Diese Bitte schlägt der Vater seinem Sohn ab.

 

Das war das Beste, was uns passieren konnte.

 

Und was noch besser ist: mit seiner Fürbitte nimmt uns Jesus mit hinein in diese einzigartige Liebesbeziehung, in die innige Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn.

 

Wir sind dadurch Kinder Gottes!

 

 

Machen wir es wie Jesus, beten wir für:  … (Hier kannst Du einen Namen einsetzen)

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