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Unglaublich

Ick gloob nüscht – hier in meiner Gegend im Nordosten Deutschlands ist dies nicht selten zu hören.

 

Statistiken sagen, dass im Osten Deutschlands 75% der Menschen nicht an einen Gott glauben. Im Westen Deutschlands ist das Verhältnis eher umgekehrt.

 

Was kann man denn auch glauben? Die Menschen wollen an Stars, Politikern, Verwaltungen oder Gerichten glauben – und werden enttäuscht. Tiefes Misstrauen gegenüber allen Institutionen – auch den Kirchen – ist die Folge.

 

Andererseits finden sich doch alle in der Lage, immer und zu jeder Zeit etwas zu glauben.

 

Ich glaube, morgen wird die Sonne scheinen. Ich glaube, dass Corona bald vorbei ist. Ich glaube an meine Familie, meine Kinder, meine Eltern, einen guten Freund.

 

Und ist – wenn man an Gott glaubt – dieser Gott nicht auch schon an sich unglaublich? Unglaublich groß, unglaublich mächtig, unglaublich gewaltig?

 

Im Brief an die Hebräer heißt es im 11. Kapitel:

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen.

(Hebräer 11,1-2, Luth 2017)

 

Diese Verse leiten das sogenannte Glaubenskapitel im Brief an die Hebräer ein. Ein unbekannter Autor, der selbst offenbar kein Augenzeuge Jesu mehr gewesen ist, versucht den Hebräern, also vermutlich Judenchristen zu erklären, was Glaube ist.

 

Im alltäglichen Sprachgebrauch beschreibt glauben eine Erwartung. Glauben bedeutet hier auch meinen oder vermuten.

Um das noch mehr zu verstehen, musste ich ein bisschen googlen. Ich stieß auf griechische und hebräische Worte gestoßen, die so etwas bedeuten wie Ich verlasse mich auf …, ich binde meine Existenz an …, ich bin treu zu …, das Herz geben/schenken/auf etwas setzen, fest oder unerschütterlich.

Der Satz Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird hat ursprünglich keine Unsicherheit ausgedrückt. Der Sprecher hat damit seine eigene Sicherheit ausgedrückt. Gleichermaßen wurde auch religiös geglaubt: Ich glaube an Gott.

 

Erst die europäische Aufklärung hat in modernen Zeiten dazu geführt, einen Unterschied zwischen Denken, Fühlen und Glauben, sprich Herz, Kopf und Glauben zu sehen.

 

In unserem Vers ist also beides drin: die Gewissheit vom Herz und vom Kopf her.

 

Das versuchen auch moderne Bibelübersetzungen wieder herauszuarbeiten. In ihnen heißt der erste Vers:

 

Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft: Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht. (Hoffnung für alle)

 

Glauben heißt Vertrauen, und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen, worauf wir hoffen. Das, was wir jetzt noch nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst. (Gute Nachricht)

 

Wenn jemand sagt, ick gloob nüscht, dann zeigt er, dass er sein Herz auf nichts setzen will, dass er nicht vertrauen kann.

 

Welches Mittel empfiehlt sich gegen das nicht Glauben können? Man könnte zunächst schauen, wie es Leuten ergangen ist, die fest auf Gott vertraut haben. Das macht der Autor des Hebräerbriefes hier auch.

 

In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen lautet der zweite Vers des 11. Kapitels. Ausgeschmückt wird das ab Vers 4 mit einigen Beispielen für festen Glauben im Alten Testament.

 

Heraus ragt Abraham. In Hebräer 11, 8 heißt es:

 

Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme.

 

An Abraham zeigt sich der unerschütterliche Glauben an Gott. Auf Gottes Wort hin verließ der Halbnomade Abraham seine Heimat und zog in die Fremde.

 

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. (1. Mose 12,1-2)

Abraham wurde ganz persönlich angerufen. Er wurde mit einer Verheißung beschenkt wurde. Gott stellte ihm Nachkommenschaft und Land in Aussicht. Er vertraute Gott und wurde schließlich belohnt. Heute sehen Juden, Muslime und Christen Abraham als ihren Stammvater und wichtigsten Glaubenszeugen an.

 

Weitere Glaubenszeugen sind zu nennen. Denn die Liste der Glaubenszeugen im Alten Testament ist im Hebräerbrief nicht vollständig, überdies sind im Neuen Testament und in den 2000 Jahren danach weitere Glaubenszeugen hinzugekommen, an denen sich zeigt, dass der Glaube an Gott, der Glaube an Jesus eher etwas mit Wissen als mit dem Glauben im alltäglichen Sinne zu tun hat.

 

Hiob ist der Mensch in der Bibel, von denen erzählt wird, dass Gott sie bewusst in die Hände des Teufels gibt. Trotz aller Prüfungen und Verluste - er verliert alles was er hat, seine Familie und seinen Besitz – hält er an Gott fest und bekennt schließlich:

 

Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. (Hiob 19,25)

 

Das ist ein fester Glaube, ebenso ist das bei Paulus so:

 

Paulus sagt:

 

Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Römer 8, 38-39)

 

Auch hier ist es wieder eine Gewissheit, die den Glauben ausmacht.

 

Und schließlich 1500 Jahre später, ziemlich genau vor 500 Jahren, steht Martin Luther auf dem Reichstag von Worms vor Karl dem V., der von ihm verlangt, seine Thesen gegen die herrschende Kirche zu widerrufen, und sagt: Hier stehe ich und kann nicht anders – und widerruft nicht.

 

Auch Luther fühlte sich von Gott angesprochen und konnte daher nur das für richtig halten, was er für richtig erkannt hatte.

 

 

Der Glaube der Christen hätte sich nicht 2000 Jahre lang immer weiter verbreitet, wenn es nicht immer wieder Menschen gegeben hätte, die andere Menschen im Glauben gestärkt hätten und damit zu einem Vorbild wurden. Bis heute gibt es wieder Leute im Glauben, die aus der Menge herausragen und ein Vorbild sein können. Ich selbst habe das Geschenk, dass ich in einer christlichen Familie aufgewachsen bin. In unserem Stammbaum lassen sich über Generationen Jahrhunderte zurück ganz glaubensfeste Menschen nachweisen. Der Glaube wurde von Generation zu Generation weiter gegeben. Und dennoch musste ich selbst ganz persönlich zu diesem Glauben kommen. Vertrauen zu Gott, ihm sein Herz zu schenken, dass muss jeder für sich machen. Und auch da hatte ich das Geschenk, dass ich da Menschen hatte, die mir zum Vorbild wurden. Sei es in der Gemeinde zum Beispiel, sei es durch das Lesen von Büchern oder Besuchen von Vorträgen.

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