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Am Ende!?

 

Zwischen Ostern und Pfingsten sind wir.

Und dann eine Predigt, die Am Ende!? heißt? Wo alles neu ist, die Natur erwacht, Jesus ist auferstanden, Pfingsten - der Heilige Geist nahe? Trotzdem – das schürt manchmal sogar das Gefühl, am Ende zu sein. Die meisten Selbstmorde passieren nicht etwa im tristen November, sondern im Frühling!

 

Am Ende!?: die Jünger

Am Ende!?: sind zunächst direkt die Jünger, für die mit Jesu Kreuzigung am Karfreitag eine Welt zusammengebrochen ist. Es gibt zwar Berichte, dass Jesus lebt. Aber wer weiß das schon so genau.

 

Selbst die Jünger, die mit Jesus ganz hautnah unterwegs waren, glauben nur das, was sie sehen. Sie haben Angst, geraten in Verdacht, den toten Jesus aus dem Grab gestohlen zu haben. Wie das so ist unter Menschen. Man glaubt nur das Naheliegende.

 

Bald gibt sich Jesus den Jüngern zu erkennen. Diese erschrecken, weil er plötzlich hinter verschlossenen Türen mitten unter ihnen steht. Manch einer braucht noch mehr Beweise, wie Thomas, der Jesu Wundmale genau untersucht.

 

Jesus richtet seine Apostel wieder auf und erinnert sie an den Auftrag, alles, was geschehen ist zu verkünden in der Welt. Und für Petrus, den ehemaligen Fischer, hat er sogar einen Spezial-Auftrag bereit. Nicht ohne ihn vorher mehrfach gefragt zu haben, ob Petrus ihn lieb hat.

 

Die Jünger, die mit ihrem Latein am Ende waren, die nichts verstanden hatten von dem, was Jesus ihnen über seinen Auftrag erzählt hatte, bekommen neuen Mut. Auferstehungsmut und Auferstehungskraft.

 

Aus dem Ende wird ein neuer Anfang.

 

Am Ende!?: glaubende Menschen

Wie ist das mit uns?

 

Am Ende!?: sind wir als glaubende Menschen nicht manchmal auch am Ende, sehen unseren HERRN nicht?

 

Was empfiehlt sich, wenn man am Ende ist, sich verirrt hat? Man soll dahin zurück gehen, wo man das letzte Mal wusste, wo man ist, wofür man da ist.

 

Die Jünger hatten es ja besser als wir: sie konnten sich von Jesus direkt noch einmal alles im Zusammenhang erklären lassen, was sie bis dahin nicht verstanden hatten.

 

Wir selbst können dahin gehen, wo Jesus den Jüngern schon alles erklärt hatte, bevor er ans Kreuz ging. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu - derjenige, der ihm nach eigener Darstellung am nächsten stand - hat dies in seinem Evangelium ganz genau aufgeschrieben.

 

Als Jesus Abschied von seinen Jüngern nimmt, gibt er ihnen praktische Unterweisungen (Fußwaschung!), erläutert ihnen ganz ausführlich, was es mit der Liebe auf sich hat, und kündigt ihnen an, dass sie nicht alleine sein werden, wenn er sie verlässt. Er bekräftigt in Johannes 14, 18 (NGÜ):

 

Ich werde euch nicht als hilflose Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.

 

Alles, was er so den Jüngern erklärt und ankündigt, können wir für uns ebenfalls in Anspruch nehmen. Jesus selbst will also bei uns sein!

 

Schauen wir uns das etwas genauer an.

 

Dieser Vers steht in den sogenannten Abschiedsreden, in denen Jesus seine Frohe Botschaft zusammenfasst – aufgeschrieben in den Kapiteln 13 bis 17 des Johannesevangeliums. Ich möchte heute die Verse 23b bis 29 des 14. Kapitels in den Vordergrund stellen, auf die wir zurück gehen können, wenn wir am Ende sind.

 

23b »Wenn jemand mich liebt, wird er sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.

24 Wer mich nicht liebt, richtet sich nicht nach meinen Worten. Und was ich euch sage, ist nicht mein Wort; ihr hört das Wort des Vaters, der mich gesandt hat.

25 Diese Dinge sage ich euch, solange ich noch bei euch bin.

26 Der Helfer, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles Weitere lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

27 Was ich euch zurücklasse, ist Frieden: Ich gebe euch meinen Frieden – einen Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann. Lasst euch durch nichts in eurem Glauben erschüttern, und lasst euch nicht entmutigen!

28 Ihr erinnert euch, dass ich zu euch gesagt habe: ›Ich gehe weg, und ich komme wieder zu euch.‹ Wenn ihr mich wirklich lieben würdet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.

 (Johannes 14,23b-28, NGÜ)

 

Die Jünger sahen Jesus leibhaftig, sie hatten einen Jesus zum Anfassen. Ihnen und uns verspricht Jesus, dass er auch nach seiner Himmelfahrt bei uns sein wird.

 

(Vers 23b) Wenn jemand mich liebt, wird er sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.

Wenn wir Jesus lieben und uns nach seinem Wort richten, ist das die Folge: Jesus und sein Vater werden zu uns kommen und bei uns wohnen! Das ist – behaupte ich mal – das eigentliche Geheimnis der Menschwerdung Jesu: dass er in uns Menschen wohnt, hier und heute! Das ist wie die ganze Ostergeschichte, die Auferstehung, ein Bruch mit dem, was die Menschen damals glaubten – und die meisten heute glauben.

 

Die jüdische Tradition kannte ja auch schon Heilsgestalten, die aus den anderen herausragten. Mose zum Beispiel, David zum Beispiel. Als ihr Leben zu Ende ging, wurden von Gott Nachfolger eingesetzt: Für Mose kam Josua, für David kam Salomo. Usw. Bei Jesus ist das anders.

 

Er sagt also, dass er uns nicht als hilflose Waisen zurücklassen wird, dass er selbst wieder kommen wird und mit seinem Vater bei uns wohnen will – in anderer Gestalt. Nicht zum Anfassen wie damals bei den ersten Jüngern, sondern im Geist. Zu diesem Zweck will er den Heiligen Geist senden, mit dem er wie mit seinem Vater eins ist.

 

Dieser Heilige Geist, im Griechischen Pankretos = Tröster, Beistand, will uns über den – vermeintlichen - Abschied von Jesus hinwegtrösten und uns beistehen.

 

Wie können wir uns das vorstellen? Das ist so wie ein Anwalt vor Gericht, der uns vertritt, wenn wir uns selbst nicht vertreten können.

 

Greifen wir schon mal vor: diese Wirkung des Heiligen Geistes wird an den Jüngern zu Pfingsten direkt sichtbar.

 

Petrus, der Fischer, stellt sich vor die Menge und bekennt:

Ihr Leute von Israel, hört her! Bei dem, was wir euch zu sagen haben, geht es um Jesus von Nazaret. Durch diesen Mann hat Gott – wie ihr alle wisst – in eurer Mitte mächtige Taten vollbracht, Wunder gewirkt und außergewöhnliche Dinge getan. (Apg.2,22, NGÜ)

 

Und wenig später müssen Petrus und Johannes sich wegen einer Krankenheilung vor dem Jüdischen Gerichtshof rechtfertigen und bekennen ohne Angst:

Führer unseres Volkes! Verehrte Ratsmitglieder! Wenn wir uns heute dafür verantworten müssen, dass wir einem kranken Menschen Gutes getan haben, und wenn ihr uns fragt, auf welche Weise er denn gesund geworden ist, dann sollt ihr alle und das ganze israelitische Volk wissen: Es geschah im Namen von Jesus Christus aus Nazaret, den ihr habt kreuzigen lassen und den Gott von den Toten auferweckt hat. (Apostelgeschichte 4, 8-10, NGÜ)

 

Das ist der Heilige Geist als Beistand, als Anwalt, der dies bewirkt und Mut macht. Und die Rede bleibt (zunächst) auch ohne Folge, Petrus und Johannes können unbehelligt gehen, ehe sie wieder verhaftet werden und nochmal mutig bekennen:

Gott hat ihn [Jesus] erhöht und ihm den Ehrenplatz an seiner rechten Seite gegeben; er hat ihn zum Herrscher und Retter gemacht, um Israel zur Umkehr zu führen und die Sünden des Volkes zu vergeben. Wir sind Zeugen für das alles – wir und der Heilige Geist, den Gott denen gegeben hat, die ihm gehorchen. (Apg. 5, 31-32,NGÜ).

 

Inzwischen haben sie offenbar verstanden, dass der Heilige Geist dies direkt wirkt. Dass Jesus durch den Heiligen Geist nach wie vor bei ihnen ist.

 

Das sind keine alten Geschichten - nicht nur verfolgte Christen heute bezeugen dies in aller Welt. Der Heilige Geist ist ein Tröster im hier und jetzt, kein Ver-tröster auf das, was kommen wird.

 

Was können wir daraus nebenbei noch lernen:

 

Als Jesus auf der Erde ging, war er für alle sichtbar. Für die, die an ihn glaubten (und oftmals Strapazen auf sich nahmen, um ihm zu folgen) aber auch für die, die nicht an ihn glaubten (mit denen er sich aber Streitgespräche lieferte, wie mit den Pharisäern).

 

Heute wirkt Jesus nicht nur wie vor 2000 Jahren in Galiläa und Jerusalem, nein bis heute hat sich das Evangelium über die ganze Welt ausgebreitet, wohnt Jesus in so vielen Menschen wie noch nie. Trotz aller Verfolgung, allem Desinteresse der Menschen.

 

Heute ist Jesus für die sichtbar, die an ihn glauben. Der Heilige Geist will uns an alles erinnern. Er ist hier. Deshalb kann er uns die Herzen aufschließen, dass wir das Wort verstehen:

(Vers 26) Der Helfer, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, wird euch alles Weitere lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

 

Die Folge:

(Vers 27) Was ich euch zurücklasse, ist Frieden: Ich gebe euch meinen Frieden – einen Frieden, wie ihn die Welt nicht geben kann. Lasst euch durch nichts in eurem Glauben erschüttern, und lasst euch nicht entmutigen!

 

Das ist der Frieden, der entsteht, wenn man weiß, dass man nicht alleinsteht. Der Frieden, der es macht, dass ich mich nicht von äußeren Umständen beeindrucken lasse. Weil ich weiß, dass Jesus in mir ist – und gleichzeitig hinter mir steht.

 

(Vers 28) Ihr erinnert euch, dass ich zu euch gesagt habe: ›Ich gehe weg, und ich komme wieder zu euch.‹ Wenn ihr mich wirklich lieben würdet, würdet ihr euch freuen, dass ich zum Vater gehe; denn der Vater ist größer als ich.

Dieser Abschied ist also kein Abschied gewesen. Wir sind nicht alleine. Jesus steigt zum Himmel auf, kommt dann aber mit seinem Vater auf die Erde zurück und nimmt als Heiliger Geist Wohnung bei uns! Daher sollten wir nicht weltabgewandt in den Himmel steigen, sondern auf dem Boden bleiben. Hier ist unser Betätigungsfeld – auch nach Kreuzigung, Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten!

 

Das, was uns verheißen ist, wird schon noch kommen – ein Leben in Ewigkeit bei Jesus. Das wird noch ganz anders sein und das sollten wir auch immer im Blick haben. Dennoch können wir hier schon auf der Erde seine Gegenwart genießen! Und in seiner Liebe bleiben. Und diese weitergeben.

 

Wer aufgepasst hat, wird gemerkt haben, dass ich mich noch nicht mit Vers 24 und 25 unseres Predigttextes beschäftigt habe.

Wer mich nicht liebt, richtet sich nicht nach meinen Worten. Und was ich euch sage, ist nicht mein Wort; ihr hört das Wort des Vaters, der mich gesandt hat. Diese Dinge sage ich euch, solange ich noch bei euch bin.

Hier spricht Jesus zwar auch die Jünger – also auch uns – direkt an, macht aber eine Unterscheidung, grenzt aus. Sagt eindeutig, dass derjenige, der ihn nicht liebt, sich auch nicht nach seinen Worten richten wird. So wie wir das vorhin gehört haben, wird Jesus dann auch nicht in ihm wohnen.

 

In seinen Abschiedsreden kommt Jesus später noch einmal ganz deutlich auf dieses Thema zu sprechen, im 15. Kapitel mit dem Gleichnis vom Weinstock. Er spricht davon, dass die, die an ihn glauben, so eng mit ihm verbunden sind wie Weinstock und Reben. Aber er sagt auch deutlich, was mit denen passiert, die nicht (mehr) an ihn glauben:

Wenn jemand nicht in mir bleibt, geht es ihm wie der unfruchtbaren Rebe: Er wird weggeworfen und verdorrt. Die verdorrten Reben werden zusammengelesen und ins Feuer geworfen, wo sie verbrennen. (Johannes 15,6)

 

Wie nun?

Wir glauben doch eigentlich, dass uns, wenn wir einmal zum Glauben gekommen sind, nichts mehr von Jesus trennen kann. Und nun: abgeschnitten, weggeworfen, verbrannt?

 

Ich denke, Jesus geht es hier zuerst nicht darum, jemanden auszugrenzen. Sondern uns den Zusammenhang deutlich zu machen, wie wichtig es ist, bei ihm zu bleiben, in seinem Saft, der durch den Rebstock fließt. Nur wenn wir in ihm, ganz nah bei ihm sind, kann Frucht entstehen. Frucht für uns und Frucht für andere Menschen, darum geht es.

 

Diese Intimität mit Jesus, diese Nähe, ist ganz wichtig. Nur sie kann uns vor falschen Theologien bewahren, falschen Theologien, die wir uns selbst einreden. Weil wir etwas sehen, was vordergründig nicht ins Bild passt, vielleicht auch nicht unseren Erwartungen entspricht. Da beten wir für jemanden, der schwer krank ist. Und dann stirbt er doch am Krebs. Da beten wir um Frieden, und es ist doch Krieg. Da beten wir um eine Ehe, und dann kommt doch die Scheidung.

 

Alles real, aber eben genauso real ist Jesu Nähe!

 

Ganz praktisch und für manchen vielleicht ein bisschen – sagen wir mal – gewöhnungsbedürftig. So wie für mich vor 22 Jahren, als ich in der Krise war.

Ich fuhr zu einer psychosomatischen Reha, nahm ein Buch mit, dass ich mir vorher gekauft hatte, ein Buch von Anselm Grün. Gerade hatte ich erstmals von ihm etwas gehört, meine Tante hatte mir vorher schon ein Buch von ihm gegeben, ich hatte es in einer Nacht verschlungen.

 

Und dann saß ich in meinem Zimmer dort, in Wandlitz war das, und las: Nimm dir einfach einen Stuhl, setze dich hin und spüre in dich hinein, suche den Ort, wo der Heilige Geist in Dir wohnt. Die passende Bibelstelle dazu kannte ich, aber ich, der Aktive, immer Umtriebige, einfach auf einen Stuhl setzen?

 

Dort an diesem Ort in mir bin ich dann Jesus ganz neu begegnet. Seither weiß ich, dass er immer bei mir ist. Ich hatte das zwischenzeitlich verloren, aber es ist Realität. Genauso Realität, wie alles andere, was wir uns so einreden. Es hilft doch nichts zu beten, hat ja doch keinen Sinn, sich in der Gemeinde einbringen usw. usf.

 

Soweit so praktisch für uns selbst.

 

Am Ende!?: die Menschen

Aber genauso praktisch: viele Menschen sind am Ende. Mit ihrem Latein, mit ihrem Lebensentwurf – und können nicht glauben.

 

Das ist völlig normal. Seit Adam und Eva sind alle Menschen der Meinung, dass es für sie besser sei, sich nicht an die Weisungen Gottes zu halten. Gottes Möglichkeiten zu sehen. Auch wir gehören dazu. Dass wir überhaupt eine Chance bekommen haben, nicht als verdorrtes Gehölz zu enden, liegt daran, dass Gott uns auserwählt hat. Das Thema Erwählung steht auch in den Abschiedsreden, Kapitel 15 bei Johannes. Auch das wäre noch ein lohnendes Extra-Predigtthema.

 

Nur so viel: diese Erwählung geschieht manchmal durch andere Menschen. Viele von uns sind durch andere Menschen zum Glauben gekommen. Das ist die Frucht. Die vom Saft durchblutete Rebe, von der Jesus spricht.

 

Und auf den Satz setzt er noch eins drauf: Gehet hin! Das ist unsere Frucht, wenn wir das tun.

 

Am Ende!? Nein – am Anfang sind wir.

 

Jesus hat es uns vorgemacht. Er ist für uns ans Kreuz gegangen. Ein vermeintlicher Abschied, ein Ende. Aber das Grab ist leer. Der Geist ist gekommen und Vater, Sohn und Heiliger Geist wohnen in uns. Wollen uns nah sein, wollen, dass wir uns durch sie beleben lassen und Frucht bringen.

 

Nicht unbedingt, weil es bei uns so schön wäre, nein – weil sie gerne bei ihren Nachfolgern wohnen.

 

Das ist ein Anfang, sozusagen ein Resetknopf, den die Osterzeit, die 50 Tage zwischen Ostern und Pfingsten uns schenken.

 

Das ist Trost für Trauernde, Kopfschmuck statt Asche, ein Ruhmesgewand statt eines verzagten Geistes, der Wiederaufbau von Ruinen, wie es der Prophet Jesaja (in Jesaja 61) bereits prophezeit hatte! Aus Gräbern werden blühende Gärten!

 

Alles ist nun möglich!

 

 

Amen

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